Anhang zum HFDO-Kalender für 2016
Im Gebiet der Wolgadeutschen, in ihrer Hauptstadt Pokrowsk(seit Oktober 1931 Engels), wurde durch Anordnung des Präsidiums des Gebietsvollzugskomitees im März 1923 ein Archiv eingerichtet, das im August 1923 seine Tätigkeit begann. Mit der Umwandlung des Gebietes in die Republik der Wolgadeutschen (Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen, ASSRdWD) am 6. Januar 1924 wurde daraus das Zentralarchiv der ASSRdWD, das der Archivabteilung des NKWD (Volkskommissariat für innere Angelegenheiten) der Republik unterstellt wurde.
Die kleine Belegschaft des Archivs mit ihrem Gründer, dem Historiker und Archivar Michail Piskunow, einem Absolventen der Universität Charkow, an der Spitze, begann mit der Sichtung der Dokumente der Wolost-Verwaltungen und der Dorfverwaltungen (Dorfversammlungen) sowie der Kirchenarchive der verschiedensten Konfessionen im Zusammenhang mit deren Schließung und Liquidierung, aber auch mit der Organisation der Bildungseinrichtungen auf dem Territorium, das zu der deutschen Autonomie gehörte. 1933, zum 10. Jahrestag des Bestehens des Zentralarchivs, waren in seinen Räumen 197 Bestände über 126.530 historische Akten und 812 Bestände über 131.336 Verfahren aus der Zeit nach 1917 gesammelt, zum 1. Januar 1941 waren es 1.475 Bestände, die 320.195 Fälle umfassten. Am 13. Oktober 1941 wurde das Zentralarchiv der ASSRdWD durch den Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 28. August 1941 „Über die Umsiedlung der Deutschen aus den Rayons des Wolgagebietes“ in das Staatsarchiv Engels der NKWD-Verwaltung für das Gebiet Saratow reorganisiert und später zu einer Filiale des Staatsarchivs für das Gebiet Saratow herabgestuft.
Die Lage änderte sich erst Anfang des 21. Jh. Nach der Rekonstruktion des alten Archivgebäudes (auf Kosten der Russischen Föderation), und der Fertigstellung eines dreistöckigen Anbaues als Archivdepot (der Anteil der deutschen Seite betrug 80%) sowie der Anordnung des Gouverneurs des Gebietes Saratow vom 7. Juni 2005 wurde auf der Grundlage der Filiale das staatliche Gebietsamt „Staatliches historisches Archiv der Wolgadeutschen in der Stadt Engels“ gegründet.
Ungeachtet dessen, dass in der Zeit von 1841 bis 1945 eine ganze Reihe von Archivbeständen dem Archiv des Gebietes Wolgograd überlassen wurde, das von dem Territorium der früheren ASSRdWD sieben Kantone erhalten hatte, und einer Reihe Bestände, einschließlich der Register aus dem Standesamtsarchiv des Gebietes an das Staatliche Archiv des Gebietes Saratow abgegeben wurde, blieb doch der größte Teil der Dokumente aus der Geschichte der Besiedlung des Wolgagebietes durch die Kolonisten wie auch der Machtorgane des Gebietes und der Republik der Wolgadeutschen im Besitz des Archivs zu Engels. Deshalb ist das Interesse an unseren Beständen nicht nur bei den Gelehrten der ganzen Welt, sondern auch bei den einfachen Bürgern so groß, die die Geschichte ihrer Familien erforschen wollen. Als Hilfe für solche Forscher erstellten die Archivare gemeinsam mit Professorin Olga Litzenberger ein mit Inhaltsangabe versehenes Verzeichnis der Angelegenheiten der Sammlung der römisch-katholischen Kirchen (1789-1934, 156 Seiten), das 2009 im Verlagshaus Mark in Saratow veröffentlicht wurde. Diese Publikation erlaubt uns, uns im vorliegenden Material nicht mit der Zusammensetzung und dem Inhalt der Dokumente der 16 Bestände der röm.-kath. Kirchen aufzuhalten und uns stattdessen den Archivbeständen der 48 evangelisch-lutherischen Kirchen zuzuwenden.
Staatliches historisches Archiv der Wolgadeutschen zu Engels
Postanschrift:
413100 Gebiet Saratow, Stadt Engels, Leninplatz 13
Почтовый адрес:
413100 Саратовская обл., г. Энгельс, пл. Ленина, д. 13
Email: archive@engels.san.ru
Homepage: www.engels-archive.ru
Telefon/Fax: 56-89-24, 55-67-88
Ein großer Teil der im Wolgagebiet siedelnden Kolonisten (etwa 75%) waren lutherischen Glaubensbekenntnisses. Das Studium der Register zeigte, dass es in der Kirche von Baratajewka (Bettinger) Einträge über Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle von Kolonisten der Dörfer Wassiljewka (Basel, Gratz) Podlesnoje (Unterwalden), Sosnowka (Susannental, Winkelmann), Baskakowka (Kind), Wolkowo (Schaffhausen), Georgijewka (Glarus) und Alexandrowka (Hockerberg, Bohn) aus den Jahren 1806 – 1921 gibt, in der Kirche von Goly Karamysch (Balzer) Einträge von Ust-Solicha (Messer), Kljutschi (Moor), Popowka (Kutter, Brehning-Chutor) und Werschinka (Kautz) aus den Jahren 1804 – 1926 gibt. Zum Kirchspiel Ossinowski (Reinhardt) gehörten die Kolonien Lipowka (Schäfer), Lipow-Kut (Urbach), Lugowaja Grjasnucha (Schulz) und Stariza (Reinwald). In den Jahren 1832 – 1843 gehörten zum Kirchspiel Priwalnoje (Warenburg) die Kolonisten der Dörfer Saumorje (Bangert), Popowkina (Jost), Skatowka (Straub), Stepnoje (Stahl am Tarlyk), Tarlykowka (Dinkel), Tarlyk (Laub) und Jablonowka (Lauwe), ebenso in den Jahren 1794 – 1826 und 1932. Später bauten viele Kolonisten Kirchen in ihren Kolonien, wodurch neue Kirchspiele entstanden. Unter den Dokumenten einer Reihe von Kirchen werden Personal- und Konfirmationsbücher aufbewahrt.
Am informativsten sind zur Erstellung von Stammbäumen die Dokumente einer ganzen Reihe von Wolost-Verwaltungen: von Sosnowka (Schilling), wo die Revisionsverzeichnisse (Volkszählung) aus den Jahren 1835, 1850 und 1857 und die Zählung aus dem Jahre 1897 noch vorhanden sind; von Jekaterinenstadt (1920 Marxstadt), unter denen außer den Ergebnissen der Volkszählungen auch Familienverzeichnisse aufbewahrt werden; in dieser Hinsicht sind auch die Dokumente der Wolost-Verwaltungen von Krasny Jar (Krasnojar), Werchne-Jeruslansk, Hussenbach (Linewo-Osero) und einer ganzen Reihe von Dorfversammlungen interessant, wie Ust-Karaman (Enders), Rybny (Fischer, Teljausa), Berjosowka (Ernestinendorf), Bordowskoje (Boaro, Boisroux), Wassiljewka (Basel, Gratz) u. a.
Die vollständigsten genealogischen Forschungen können die Archivare von folgenden Kolonien erfüllen: Goly Karamysch (Balzer), Norka (Weigand), Priwalnoje (Warenburg), Sewastjanowka (Anton) und Podstepnoje (Rosenheim); vorwiegend für das 19. und den Anfang des 20. Jh.
In einer Reihe von Archivbeständen sind Daten über die Emigration von Kolonisten nach Amerika und in andere Regionen enthalten.
Das Archiv verfügt über einen Lesesaal mit sechs Arbeitsplätzen. Der Lesesaal ist geöffnet von Montag bis Freitag, für auswärtige Forscher von 9 bis 16 Uhr mit einer Mittagspause von 12-13 Uhr. Die Forscher arbeiten kostenfrei, Gebühren werden nach einem Preisverzeichnis nur für die Fotokopien der Dokumente erhoben. Anträge auf Ausführung eines genealogischen Auftrages durch einen Mitarbeiter des Archivs können ebenfalls nach einer Preisliste gestellt werden.
Jerina Jelisaweta
Leiterin der Dokumenten-Nutzungsabteilung