Bücher

  • Michael Wanner Deutsche Siedlungen am Asowschen Meer

    „Deutsche Siedlungen am Asowschen Meer“

    Ausgabe 2021

  • Waldemar Pflug Badische Auswanderer

    „Badische Auswanderer“

    Ausgabe 2020 mit 553 Seiten

    Das Buch ist als Hilfsinstrument in erster Linie für die Personen geeignet, die ihre eigene Ahnenforschung betreiben und wissen, dass ihre Vorfahren aus dem Badischen Raum stammen.

  • Russland-Deutsche Zeitgeschichte

    „Russland-Deutsche Zeitgeschichte. Biographien, Kriegsgeschichte, Auswanderungskampf“

    Ausgabe 2020 mit 430 Seiten

    Das Buch beinhaltet Geschichte zu verschiedenen Zeiten der Deutschen im Russischen Reich bis zu schwersten Zeiten der Sowjetunion.

  • Russland-Deutsche Zeitgeschichte 2000-2020

    „Russland-Deutsche Zeitgeschichte 2000-2020“

    Ausgabe 2019, 608 A-4 Seiten in Farbe

    Ein Sammelband von HFDR-Kalender, von der Gründung des Vereins bis Kalender 2020.

    Ein guter Wegweiser für Schüler und Studenten bei den Vorbereitungen von Berichten oder Vorträgen über Geschichte der Russlanddeutschen.

  • Deutsche katholische Siedlungen and der Wolga

    „Deutsche katholische Siedlungen an der Wolga“

    Band 15, Ausgabe 2018, 670 Seiten

    Weitere Informationen über „Deutsche katholische Siedlungen an der Wolga“ von Olga Litzenberger:

  • Anton Bosch Geschichte in Gedichten und Prosa Band 14

    „Geschichte in Gedichten und Prosa“

    (Auswanderung aus Franken an die Wolga)

    Band 14, Ausgabe 2016 mit 425 Seiten

    Liebe Landsleute,

    das gerade aus dem Druck erschienene Buch „Geschichte in Gedichten und Prosa“ ist auch wie alle meine publizierten Werke den russlanddeutschen Landsleuten gewidmet und ich hoffe, dass es die Herzen und Sympathie der Leser erreichen würde.

    Obwohl ich diesmal ausnahmsweise die „Ich-Erzählform“ gewählt habe, stehen im Mittelpunkt des Geschehens meine Verwandte, Freunde und Zeitgenossen, die mir im Laufe meines Lebens begegneten und deren echten Namen ich unverändert nenne und ihre Taten sowohl in Gedichten als auch in Prosa beschreibe.

    Wie der Titel verkündet, besteht das Werk aus einem Gedichts- und einem zweiten Prosateil, in denen über Ereignisse, die nach dem 2. Weltkriege und des anschließenden Kalten Krieges meine leidgeprüfte Generation im Laufe des 20 Jh. in Mitleidenschaft gezogen und stark dezimiert hat.

    Die erste Hälfte des Buches besteht aus 126 von 260 ausgewählten Gedichten, die seit 2014 entstanden und in 17 folgende Kapiteln gegliedert sind: Vorwort, Abstammung, Heimat in der Fremde, Flucht und Vertreibung, Verbannung, Familie, Rückkehr in die historische Heimat, Essen bzw. Speisen, Gesundheit, Jahreszeiten, Kindermärchen, Geburtstage, Kurlaub, Feiertage, Gesellschaft, Nachrufe, Abschiede und der Verein. Auch die in den Kindermärchen beschriebenen Begegnungen mit wilden Tieren in der Taiga sind nicht erdichtet, sondern sie haben in Wirklichkeit stattgefunden.

    Die zweite Buchhälfte ist, wie der Titel sagt, in Prosa verfasst und in 10 folgende Kapitel unterteilt: Zur Forschung der russlanddeutschen Geschichte, Auswanderung der Franken an die Wolga, Deportation aus Deutschland nach 1945, „Spezposelenzy“ in Kilmes (Ural), Technikum, Städtische Werke und Blitz über der Steppe, Adenauer im Kreml und „Pilgerreisen“ zur deutschen Botschaft in Moskau, der Fall Suprun, verlagstechnische Tätigkeiten, Tabellarischer Lebenslauf, Fortbildung und zum Abschluss ehrenamtliche Tätigkeiten.

    Das Werk besteht aus 425 DIN-A5-Seiten, ist in harten Buchdeckeln eingebunden und mit zahlreichen schwarz-weißen Fotos bestückt. Es füllt eine weitere Lücke unserer Kriegs- sowie Nachkriegsgeschichte und reicht weit bis in die Gegenwart herein. Auf den Punkt gebracht, es ist ein aktuelles Buch für den russlanddeutschen Leser, das in jeder Familie einen gebührenden Platz finden soll und hoffe, dass es die Herzen der Leser erreichen wird. In diesem Falle hätte es seinen guten Zweck erfüllt.

    Das Buch ist für 18,- Euro pro Stück (einschl. Versandkosten) unter dem Titel:

    -„Geschichte in Gedichten und Prosa“ beim HFDR erhältlich

    Dr. Anton Bosch, Nürnberg

  • Michael Wanner Gedenkbuch Kasachstan

    „Gedenkbuch Kasachstan“

    Staatsterror an den Deutschen in den Jahren 1919-1953 auf dem Territorium der heutigen Republik Kasachstan
    Erschienen 2014, 566 Seiten

  • Albert Obholz Die Kolonie Mariental an der Wolga Band 12

    „Die Kolonie Mariental an der Wolga“

    Zweite Auflage
    Erschienen 2014, 512 Seiten

    Vergriffen!

  • Olga Litzenberger Deutsche evangelische Siedlungen an der Wolga

    „Deutsche evangelische Siedlungen an der Wolga“

    Erschienen 2013

    Vergriffen!

    Wenn Sie wirklich interessiert sind an der Geschichte der Wolgadeutschen, die ein großartiges, leider untergegangenes Siedlungswerk am Mittellauf der Wolga aufgebaut hatten, dürfen Sie an dem ebenso großartigen literarischen Werk von Frau Prof. Dr. Litzenberger nicht vorbeigehen.

    Olga Litzenberger hat ihrem Buch ein ausführliches Vorwort vorangestellt, in dem sie alle Lebensbereiche der Wolgadeutschen anspricht, vor allem ihre Verbundenheit mit der Religion, von der diese Lebensbereiche so durchdrungen waren, dass man sich keinen Bereich ohne diesen Hintergrund vorstellen kann. Besser als sie selbst das getan hat, kann niemand den Leser über Sinn und Zweck dieses Buches informieren.

    Ich möchte nur einen Aspekt herausgreifen, den heimatkundlichen. Wollen Sie wissen, wo sich der Ort aus dem Ihre Vorfahren stammten, genau befand oder vielleicht noch befindet, wann er angelegt wurde, warum die Walmdächer so geschätzt wurden, womit ihre Vorfahren in der Mehrheit ihr Brot verdienten, wozu der Getreidespeicher des Dorfes diente, der immer nachgefüllt werden musste, seit wann der Ort eine eigene Schule hatte, wann die Kirche gebaut wurde, welchen Glaubensbekenntnis es die meisten Ortsansässigen waren, zu welchem Kirchspiel der Ort gehört? Auf alles weiß das Buch eine Antwort, und das nicht allgemein, sondern konkret für jeden aufgeführten Ort, dazu auch noch mit Fotos und Illustrationen.

    Besorgen Sie sich das Buch, wenn Sie ernsthaft an der Geschichte der Wolgadeutschen, die von einem unmenschlichen Regime als Volksgruppe vernichtet wurde, interessiert sind; es ist nicht nur lehrreich, es ist auch amüsant.

    Zum Schluss noch eine kurze Bemerkung: Frau Litzenbergers Russisch ist exzellent, präzise und verständlich, es gibt keine Wortungetüme oder Verschachtelungen wie bei manchen „Auch-Akademikern“, und es war trotz des Umfanges eine Freude, diese Arbeit ins Deutsche zu übersetzen.

    Johannes Herzog, Königswinter bei Bonn
  • Albert Obholz Die Katholiken an der Wolga

    „Die Katholiken an der Wolga“

    Erschienen 2012

    Vergriffen!

    Leserbrief zum Buch „Katholiken an der Wolga“ von Albert Obholz:

    „Steig vom Kreuz und hilf Dir selbst…“

    „Katholiken an der Wolga“ – ein Buch, das aufklärt und den Glauben stärkt

    Wenn der Spruch „Steig vom Kreuz und hilf Dir selbst…“ nur eine Floskel wäre, hätte ich ihn nie nach der Lektüre des Buches „Katholiken an der Wolga“ von Albert Obholz gebraucht. Dieser Spruch war für mich vor über 30 Jahren eine Ansporn, als ich mich an der Uni in Barnaul mit dem Thema „Volksbildung der deutschen Kolonisten vor 1917“ beschäftigte und außer antireligiöser Literatur in den für Studenten zugänglichen Bibliotheken kaum Quellen vorhanden waren. Zufällig bekam ich damals das Buch von G. Beratz „Die deutschen Kolonien an der unteren Wolga in ihrem Entstehen und erste Entwicklung“ (Saratow, 1914, 323 Seiten) und das Heimatbuch der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland für das Jahr 1963 mit dem Aufsatz von J. Schnurr „Der Kirchenbau in den deutschen Siedlungen Russlands von der Mitte des 18. bis zum ersten Viertel des 20. Jahrhunderts (Seiten 109-141) zum Lesen. So begann meine Bekanntschaft mit dem Stand der Erforschung des religiösen Lebens der Deutschen in Russland und der UdSSR. Die Praxis des Lebens kannte ich aus meiner Kindheit, da ich in einem katholischen Dorf in der Altairegion geboren bin. In der Schule und auch danach habe ich viele Marientaler kennen gelernt, das heißt Landsleute katholischen Glaubens von der Wolga. Diese Berührungspunkte nahmen mir zuletzt auch die Sorge weg, ich könne nicht so viel Zeit aufbringen, um das Buch „Katholiken an der Wolga“ zu lesen und letztendlich auch zu rezensieren.

    Das erste habe ich über mehrere Wochen geschafft und auch genossen, das zweite geschieht, fast wie im Spruch… Das Schreiben fällt schwer. „Zum Thema gab es schon fundierte Publikationen, wie von Dr. Olga Litzenberger aus Saratow“, dachte ich mir und blätterte schon vor Längerem gelesene Seiten eine nach der anderen um. „Was hat der Mediziner Obholz Neues entdeckt, formuliert und an die breite Öffentlichkeit gebracht?“, fragte ich mich immer wieder.

    An erster Stelle ist seine Publikation eine sattelfeste Recherche von bekannten und unbekannten Quellen. Zweitens ist es eine penibel zusammengetragene Fundgrube von Fakten und Zahlen, die anderen Forschern, die aus verschiedenen Gründen selbst nur mit russischen oder westeuropäischen Quellen arbeiten, jetzt ermöglicht das kirchliche Leben der Russlanddeutschen tiefer zu analysieren. Und drittens, dieses Buch kann für manchen Heimatund Familienforscher das beste Nachschlagewerk sein.

    Ja, das Lesen einer solchen Publikation, in der ausführlich vom Kirchenbau in einzelnen Kolonien bis zur Beschreibung von Gewand der Geistlichen berichtet wird, ist nicht einfach. Es scheint oft, man lese über Kleinigkeiten des Alltags der Gläubigen und ihrer Geistlichkeit, über deren Sitten, die bedeutungslos in der „großen“ Geschichte waren und sind. Erst als man das gelesene Buch zur Seite legt und eine Nacht darüber geschlafen hat oder wenn man einen besonnenen Tag mit einem Kirchengang abschließt, wird einem klar: im Glauben schöpften unsere Vorfahren ihren Pioniergeist und Kraft an der Wolga und in der Verbannung… Die Schilderung des Kirchenbaus beinhaltet auch die Geschichte der einzelnen Glocken, die gegossen in Deutschland oder in Russland, in der Regel einen weiteren Weg von der Gießerei bis zur Kolonie hatten, wo sie dann hochgehoben auf einen Kirchenturm weit bis in die Steppe hinein läuteten und die Gläubigen mit Nachrichten versorgten. Jedermann konnte damals das Glockenspiel verstehen, ob er beispielsweise zu einer Feierlichkeit oder einem Begräbnis zur Kirche gerufen wurde.

    Die Beschreibung der Inneneinrichtung und Ausstattung der Kirchen beginnt Albert Obholz mit den Altären. Dazu gab es in manchen Kirchen auch noch prächtige Orgeln. Viele schwarzweiße Bilder ergänzen diese Schilderung.

    Die Bemühung vom Autor nicht nur die Verwaltung der Kirchengemeinden darzustellen, sondern auch die Lebensläufe der einzelnen Dekane und Bischöfe bekannt zumachen, zeigt die Nähe der Kirchenleute zu den einfachen Kolonisten. Schon bei der Anreise an die Wolga teilten sie nicht nur das Brot, sondern auch alle Not der Anfangszeit.

    Man findet im Buch sehr interessante Erklärungen zum Chorgesang und den Wallfahrten, die trotz der Ferne von Rom und Deutschland keinen russischen Einfluss erlebten. Der schlummernde Konservatismus unter den Geistlichen (oft polnischer Herkunft) wurde amEnde des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Absolventen (meistens aus denKolonistenfamilien) des Saratower Priesterseminars langsam aufgeweicht. Die Geistlichkeitwar aktiv bei der Herausgabe von Zeitungen für die wolgadeutsche Stadt- und Landbevölkerung beteiligt und spielte durch ihr Engagement im Schulwesen eine bedeutende Rolle in der allgemeinen Bildung der Kolonisten.

    Albert Obholz beschreibt unter anderem sowohl das Alltagsleben der Geistlichen als auch deren sittliche Haltung. Es scheint, kaum ein Winkel oder Ecke bleibt ohne Acht. Er sucht keine Sensationen, er schildert oft routinemäßig die breite Palette von Ereignissen, die damals das Kolonistenleben prägten. Auch die spätere atheistische „Sündezeit“ und „Wiedergeburt“ der katholischen Kirche in Kasachstan kommen da nicht zu kurz.

    Insgesamt gesehen kann diese Lektüre eine innere Konfrontation bei einem nichtpraktizierenden Christen (nicht nur wolgadeutscher Herkunft) oder auch passionierten Katholiken hervorrufen: gibt mir das Lesen Wissen und Kraft oder raubt es mir die Zeit und Lust?

    Das Tragen eines Kreuzes verlangt Entschlossenheit, das Absteigen Kraft. Nehmen Sie das Buch „Katholiken an der Wolga“ in die Hand, schlagen sie es auf… Und nach einer Weile wird Ihnen der Spruch „Steig vom Kreuz und hilf Dir selbst…“, wie ein leuchtender Stern vorkommen, der Ihnen reichlich Licht spendet und hilft, den Weg der Vorfahren wie einen Pilgerpfad kennen zu lernen.

    Josef Schleicher,

    Bergisch Gladbach

  • Albert Obholz Die Kolonie Mariental an der Wolga Band 9

    „Die Kolonie Mariental an der Wolga“

    Erschienen 2011, 508 Seiten, bebildert.

    Vergriffen!

  • Anton Bosch Russland-Deutsche Zeitgeschichte Band 8

    „Stalins Bauernopfer am Schwarzen Meer“ Erschienen 2010, 271 Seiten. Vergriffen!

    Für Anton Bosch ist die Geschichte der deutschen Kolonien am Schwarzen Meer das Thema seines Lebens. In seinem jüngsten Buch „Stalins Opfer am Schwarzen Meer“, erschienen beim „Historischen Forschungsverein der Deutschen aus Russland“ in der Reihe Russland-Deutsche Zeitgeschichte (Band 8), steht das deutsche Bauernleben im Schwarzmeergebiet in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit all seinen dramatischen und tragischen Facetten im Mittelpunkt. Seine Doktorarbeit (2008) „Der Untergang der Russlandeutschen im Siedlungsgebiet Odessa – Nikolajew unter dem Sowjetsystem bis 1939“ bildete die Grundlage der umfassenden Publikation.

    In jahrelanger akribischer und sorgfältiger Forschung untersuchte Bosch die folgenschweren Vernichtungsmaßnahmen der Sowjets in 31 „Mutterkolonien“ der drei „Deutschen Nationalen Rayons“ zwischen Odessa und Nikolaev im Vergleich zu anderen Ethnien und schlussfolgerte, dass nicht zuletzt auch durch äußere Einflüsse die deutsche Minderheit aufgelöst bzw. vor 1939 nach Sibirien deportiert werden sollte, was schließlich dann Stalin nach 1945 vollzogen hatte.

    Seinem Leitmotiv „Geschichte zu schreiben, ist eine andere Art, sich Probleme vom Halse zu schaffen“ und „Denken heißt vergleichen“ (Walther von Rathenau) blieb der Verfasser auch bei der Vorbereitung des Buches treu: Sowohl die Geschichte der eigenen russlanddeutschen Volksgruppe als auch die Geschichte der beiden Staaten – Deutschland und Russland wird kritisch behandelt, ohne unbequeme oder dunkle Seiten auszulassen.

    Als sich Ende der 1980er Jahre und erst recht nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 die Türen der Archive allmählich öffneten, kam es auch den Forschungsinteressen von Bosch zugute. Zwischen 1994 und 2008 unternahm er mehrere Studienreisen nach Odessa, Nikolajew und Kiew, wo er in Staats-, Partei- und NKWD-Archiven Einzel- und Gruppenakten zu repressierten Deutschen sichtete, Tausende von Kopien mitbrachte, eine Korrespondenz mit den Hinterbliebenen aufnahm und schließlich eine elektronische Sammlung von 10 000 Personendaten erstellte.

    Anton Bosch hat versucht, diese Funde mit dem zu vergleichen, was bereits über das Gesamtgeschehen in der Sowjetunion und über andere Regionen bereits bekannt ist, Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeichnen, das kollektive Leid an Einzelschicksalen verständlich zu machen, und so seine Heimatregion dem Leser als vielschichtiges Gesamtbild der komplexen Zusammenhänge näher zu bringen.

    In 18 umfangreichen Kapiteln, die in kleinere Momentaufnahmen aufgeteilt sind, bietet das Buch einen tief greifenden Einblick in die komplexen Entwicklungsprozesse und die folgenschweren Auswirkungen der Repressivmaßnahmen des Sowjetregimes auf das deutsche Bauerntum im Schwarzmeergebiet: bolschewistische Revolution und kompromissloser Bürgerkrieg, kurzer Kurswechsel zur Neuen Ökonomische Politik und forcierte Industrialisierung des Landes Ende der 1920er Jahre, zwangsweise Kollektivierung und Widerstand mit Massenrepressionen, Hungersnot mit zahlreichen Todesopfern Anfang der 1930er Jahre, organisierte Jagd auf „Kulaken“, „Saboteure“ und „Spione“ und ihre „Umerziehung“ in Sondersiedlungen und Straflagern, Massenterror und Repressionen, die Tausende Opfer forderten.

    Und schließlich versucht Bosch in seinem Buch, einen kritischen Blick auf die Entwicklungen nach 1991 zu werfen, um festzustellen, dass das komplexe Thema nach wie vor aktuell und forschungsbedürftig bleibt. Und somit ist die vorliegende Publikation ein aufschlussreicher Beitrag zum besseren Verständnis der komplexen Entwicklungen um das deutsche Bauerntum in der Sowjetunion insgesamt.

    Zum Autor:

    Anton Bosch wurde 1934 in Kandel/Odessa geboren, kam 1944 über Warthegau/Polen nach Pettstadt bei Leipzig, wurde 1945 nach Udmurtien/Ural deportiert. Nach Kriegsende schlug er eine berufliche Laufbahn im Bereich der Elektrotechnik ein. Zuletzt war er Leiter eines Elektrokraftwerks und Chefingenieur in der Energieversorgung Karaganda/Kasachstan. 1974 wanderte Bosch nach Deutschland/Nürnberg aus und arbeitete hier bis 1997 bei Siemens. Schon in den 60er Jahren setzte er sich für die Familienzusammenführung der Russlanddeutschen ein. Auch seit seiner Heimkehr nach Deutschland stand die Familienzusammenführung und Integration seiner Landsleute – in Bayern und auf Bundesebene – im Mittelpunkt seines Ehrenamtes als Sozialreferent bei der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland. Viele Jahre war er Vorsitzender der Orts- und Kreisgruppe Nürnberg-Fürth, Mitglied im Bundesvorstand und Vorsitzender des Kulturrats der Landsmannschaft (1987-1991). Für besondere Leistungen im Bereich der Erforschung der Geschichte der Volksgruppe sowie Pflege der Kultur und Traditionen der Russlanddeutschen wurde Anton Bosch 2004 mit der Goldenen Ehrennadel der Landsmannschaft gewürdigt.

    Er ist Verfasser von zahlreichen Artikeln, Mitautor des Buches „Entstehung, Entwicklung und Auflösung der deutschen Kolonien am Schwarzen Meer“, Verfasser des Beitrages in „Heimat in der Ferne“ (Hrsg. Rudolf Pörtner) im Econ-Verlag, Düsseldorf, und von umfangreichen Beiträgen „Die Deutschen in der UdSSR – einst und jetzt“, 1989 Bonn. Nach Übertritt in den Ruhestand studierte der Autor von 1997 bis 2001 Geschichte, Slawistik, Neue und Neueste Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg und schloss seine Magisterprüfung (MA) mit dem Thema „Aloisius Kappes – Biographie eines Zeitzeugen von der Wolga. Gründung, Entwicklung und Auflösung seines Geburtsortes Mariental am Großen Karamann“ erfolgreich ab. 1999 gründete er den „Historischen Forschungsverein der Deutschen aus Russland e.V.“ und leitete ihn bis 2007 unter dem Motto „Heimat ist Geschichte und Geschichte ist unsere Auftrag!“ In diesem Zeitraum brachte er als Herausgeber mehrere Jahrbücher und Publikationen in der blau-gelben Reihe der „Russland-Deutschen Zeitgeschichte“ u.a. heraus. Im November 2008 promovierte er an der Universität Erlangen-Nürnberg zum Thema „Der Untergang der Russlanddeutschen im Siedlungsgebiet Odessa-Nikolajew unter dem Sowjetsystem bis 1939“, das die Grundlage dieses Buches bildet.

  • Nina Paulsen Wo unsere Toten ruhen, liegt unsere Heimat. Begräbnistradition der katholischen Russlanddeutschen, Band 8

    „Wo unsere Toten ruhen, liegt unsere Heimat. Begräbnistradition der katholischen Russlanddeutschenr“

    Erschienen 2010. Mit Begleit-CD.

    Im Mittelpunkt der weiterführenden Info-Broschüre (104 Seiten) steht das Beerdigungsritual der Nürnberger Gesangsgruppe mit Maria Schell. Das Hauptthema wird durch Hintergrundinformationen zur Geschichte der Deutschen aus Russland mit Schwerpunkt auf katholischen Russlanddeutschen ergänzt. Vergriffen!

    Im Mittelpunkt der vorliegenden Publikation steht das Abschiednehmen und die Begräbnistradition der katholischen Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion, insbesondere das Beerdigungsritual der Nürnberger Gesangsgruppe mit Maria Schell, die seit über 20 Jahren ihren verstorbenen Landsleuten das letzte Geleit gibt. Die herkömmlichen Beerdigungslieder und Gebete sind nicht nur in Schriftform in der Broschüre nachzulesen sondern auch von der Begleit-CD abzuhören.

    Erweitert wird dieses Thema durch Hintergrundinformationen zur Geschichte der Deutschen aus Russland – immer wieder mit Schwerpunkt auf katholischen Russlanddeutschen: im Russischen Zarenreich, in der späteren Sowjetunion und deren Nachfolgestaaten und in Deutschland. Unter dem in der Historiographie anerkannten Begriff „Russlanddeutsche“ sind hier alle Deutsche aus der ehemaligen Sowjetunion zu verstehen. Da die Broschüre keine Forschungsarbeit ist, sondern eine Zusammenfassung von zahlreichen Quellen und Einblicken in das vielschichtige Thema, erhebt sie auch keinerlei Ansprüche auf Vollständigkeit der Darstellung der angekündigten Thematik. Dennoch will sie Wissenslücken schließen, Interesse und Verständnis für das „Anderssein“ der Russlanddeutschen wecken und eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema anregen. Eine Auflistung von Quellen und weiterführender Literatur dient diesem Vorhaben. Angeregt wurde das Projekt von Schwester Anna Egger von der Seelsorge der Deutschen aus Russland (katholische Stadtkirche Nürnberg) und Lydia Pastarnak vom Haus der Heimat Nürnberg e.V., der Historische Forschungsverein der Deutschen aus Russland e.V. übernahm die Ausführung. „Im atheistischen Russland wurde im Haus des Verstorbenen bis zur Beerdigung die Trauerwache gehalten. In dieser Zeit wurden Kirchen- und Beerdigungslieder gesungen, die man aus Deutschland mit der Einwanderung mitgebracht hat. Diese Lieder sind heute in Deutschland nicht mehr bekannt und können mit dem Aussterben der älteren Generation der Russlanddeutschen verloren gehen. Dieser Lied- und Gebetsschatz ist ein Teil der alten deutschen Kultur und sollte den kommenden Generationen weitergegeben werden“, mit diesen Worten leitet Anna Egger (Missionarinnen Christi) die Gesänge und Gebete auf der CD ein.

    Von der Lebensweise und Traditionen der Russlanddeutschen war Schwester Anna bereits in den 90er Jahren fasziniert. Als sie Bischof Werth aus Westsibirien kennen lernte, der damals Hilfe und Helfer für den Aufbau der katholischen Gemeinden in Sibirien suchte, überlegte sie nicht lange. 1995 ging sie nach Sibirien – ohne kulturelles Wissen und ohne Erfahrung. Sie wirkte in Omsk am Aufbau der katholischen Kirche mit, kümmerte sich um die Sorgen und Nöte der Bevölkerung, insbesondere der Russlanddeutschen. Sie bereiste viele Regionen Sibiriens und sammelte einmalige Erfahrungen, die sich später in Deutschland als nützlich erwiesen.

    2000 kam sie zurück nach Nürnberg und nahm sich vor allem der Russlanddeutschen in Langwasser an. Hier leistete sie viele Jahre Seelsorgearbeit für die katholischen Aussiedler in Nürnberg in der Kirche „Heilige Dreifaltigkeit“, organisierte Begegnungen der Aussiedler mit der Gemeinde und katholische Gottesdienste in russischer Sprache. Im Haus der Heimat Nürnberg leitete sie Bibelstunden.

    Für diese „selbstlose Verkörperung der christlichen Nächstenliebe, Toleranz und interkulturelles Verständnis“ wurde sie vom Bundespräsidenten Horst Köhler mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Vor ihrer Rückkehr in die Ordensgemeinschaft 2009 war es ihr noch ein Herzensanliegen, die Lieder und Gebete des Beerdigungsrituals, die in dieser Art in Deutschland nicht mehr bekannt sind, aufzuzeichnen und sie so vor dem Vergessen zu bewahren.

    Die Frauen und Männer der Gesangsgruppe stehen mit ihren Lebensgeschichten und ihrem gelebten Glauben stellvertretend für viele andere Landsleute, die auch in den schwierigsten Zeiten den Mut hatten, dem atheistischen System zu trotzen und unbeirrt am Glauben, an ihrer deutschen Muttersprache und am Erbe ihre Vorväter festzuhalten.

    Die Broschüre beginnt mit Inhalten, die sich mit Sterben und Abschiednehmen beschäftigen, wobei inzwischen an manchen Orten die andere Art der Russlanddeutschen zu trauern als Bereicherung erkannt worden ist. Und sie endet mit Gedenken und Erinnerung an die unzähligen russlanddeutschen Opfer, die unter der Willkürherrschaft in Russland und der Sowjetunion leiden und sterben mussten. In Erinnerung an diese Opfer, an ihr unermessliches Leid sind Gedenkstätten entstanden – als „Symbol der Sehnsucht nach der historischen Heimat unserer vielen Verwandten und Freunde, die unschuldig ihr Leben lassen mussten in der Ferne und jetzt im Geiste für immer vereinigt sind und in uns weiter leben“, um es mit den Worten des Künstlers Jakob Wedel zu beschreiben. Seine Plastik „Aus letzter Kraft“ verkörpert diesen fürchterlichen Opfergang der eigenen Volksgruppe und ist Teil des Mahnmals in Berlin.

    Vortrag zur Präsentation der Broschüre „Wo unsere Toten ruhen, liegt unsere Heimat Begräbnistradition der katholischen Russlanddeutschen“ bei der Eröffnung der Aussiedlerkulturtage in Nürnberg am 18.06.2010 Kirche und Glaube als Anker in der Not Begräbnistradition der katholischen Russlanddeutschen von Nina Paulsen:

    „Wo unsere Toten ruhen, liegt unsere Heimat. Begräbnistradition der katholischen Russlanddeutschen“, so heißt die Publikation, die auf Anregung der Schwester Anna Egger von der katholischen Stadtkirche und Lydia Pastarnak vom Haus der Heimat entstanden ist.

    Der Historische Forschungsverein der Deutschen aus Russland übernahm die Ausführung. Im Mittelpunkt der Info-Broschüre steht das Abschiednehmen und die Begräbnistradition der katholischen Russlanddeutschen, insbesondere das Beerdigungsritual der Nürnberger Gesangsgruppe mit Maria Schell, die seit über 20 Jahren ihren verstorbenen Landsleuten das letzte Geleit gibt. Die herkömmlichen Beerdigungslieder und Gebete sind nicht nur in Schriftform in der Broschüre nachzulesen sondern auch von der Begleit-CD abzuhören. Obwohl Russlanddeutsche vielerorts schon seit Jahrzehnten zu den kirchlichen Gemeinden gehören, stellen sie aufgrund ihrer anderen kulturellen und religiösen Erfahrungen nach wie vor eine Herausforderung für die kirchengemeindliche Arbeit dar. Und gerade die Beerdigungen sind ein Arbeitsfeld, in dem nahezu jeder Pfarrer und viele andere Menschen, die im Bestattungsbereich tätig sind, mit Russlanddeutschen in Kontakt geraten.

    Durch die Geschichte und Mentalität der Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion ergeben sich nicht selten Reibungs- und Konfliktpunkte, die für einheimische Nachbarn ungewohnt bzw. fremd sind. Das Wissen um die Geschichte und Mentalität der Russlanddeutschen kann das etwas andere Verhalten der Deutschen aus Russland nachvollziehbarer machen. Gerade dieser Herausforderung versucht auch die Broschüre gerecht zu werden. Das Hauptthema wird durch Hintergrundinformationen zur Geschichte der Deutschen aus Russland im Russischen Zarenreich, in der späteren Sowjetunion und deren Nachfolgestaaten und in Deutschland ergänzt – immer wieder mit Schwerpunkt auf katholischen Russlanddeutschen. Die Deutschen im Russischen Zarenreich und der späteren Sowjetunion hielten Jahrhunderte lang an dem mitgebrachten protestantischen oder katholischen Glauben und den religiösen Bräuchen ihrer Vorfahren fest, viele auch dann, als es praktisch unmöglich war.

    Während die Russlanddeutschen mit ihrer deutschen Kulturtradition in eine fremde Umgebung eingebettet waren, bemühten sie sich Jahrzehnte lang unter anderem durch Abkapselung und eine viel intensivere Pflege des Glaubens und der deutschen Muttersprache ihre Identität zu erhalten. Obwohl die Zeiteinflüsse und politischen Eingriffe dieses Schutzverhalten der Russlanddeutschen weitgehend erschüttert hatten – vor allem im 20. Jahrhundert, kann man immer noch von einer weitgehenden Konservierung der herkömmlichen Kultur- und Glaubenstradition dort sprechen, wo sie sich trotz massivem Gegenwind erhalten hatte. Das Beerdigungsritual in dieser Broschüre gehört mit dazu. Die Lieder und Gebete, mit denen Maria Schell und ihre Gesangsgruppe die russlanddeutschen Landsleute verabschiedet, haben sie und die anderen von ihren Eltern und vor allem Großeltern gelernt, als die katholischen Priester unter den Sowjets ausgelöscht wurden. Zum aktuellen Gruppenbestand von Maria Schell gehören Monika Fix, Georg Götz, Maria Heberle, Katharina Heinz, Valentin Kress, Maria Messmer und Lydia Protzel. Für die Lebensgeschichten aller acht Russlanddeutschen ist kennzeichnend, dass sie meist in den deutschen Siedlungen des Schwarzmeergebiets in gläubigen Familien geboren und in katholischer Tradition aufgewachsen sind. Die meisten von ihnen haben als Kinder erlebt, wie die katholischen Priester aus ihren Geburtsorten verschwunden waren und die Kirchen zerstört oder zweckentfremdet wurden. Ab dann waren meist ihre Eltern und Großeltern diejenigen, die ihnen den katholischen Glauben ihrer Vorfahren vermittelten und eine mutige Glaubensstandhaftigkeit vorlebten. Alle gelangten 1943/44 im Zuge der administrativen Umsiedlung während des Rückzugs der deutschen Wehrmacht über Warthegau in Polen bis nach Deutschland und wurden 1945 zurückverschleppt, jedoch nicht in die Heimat, wie versprochen, sondern in die sibirische oder kasachische Verbannung. Manche durften dort heimlich noch das Glück erleben, einen lebendigen Pfarrer zu Gesicht zu bekommen, nachträglich getauft oder getraut zu werden bzw. die hl. Sakramente zu erhalten.

    Maria Schell lebt seit 1989 in Nürnberg. Schon in Russland und der Ukraine, wo sie zuletzt lebte, begleitete sie ihre verstorbenen Landsleute mit Gebeten und Gesängen bei Beerdigungen in den katholischen Familien. Kurz nach ihrer Einreise gründete sie eine Gruppe gleichaltriger Frauen, die immer öfter zu Beerdigungen mit russlanddeutschen katholischen Familien eingeladen wurde. Inzwischen sind die sechs Frauen und zwei Männer, zu verschiedenen Zeiten aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion gekommen, nicht selten bis zu 2-3mal pro Woche unterwegs, um ihre katholischen Landsleute zu beerdigen, 5-6mal pro Monat ist die Regel.

    Es kommt auch vor, dass sie zu den evangelischen Russlanddeutschen gerufen werden, weil der Verstorbene sich noch zu Lebzeiten wünschte, dass Maria Schell mit ihrer Gruppe bei der Beerdigung singt. Und das trotz der konfessionellen Unterschiede, auf die in russlanddeutschen Familien historisch bedingt – viel mehr und länger Wert gelegt wurde, als hierzulande. Dazu sagt Maria Schell: Das machen wir auch gern. Das ist dann wie ein letzter Heimatgruß für den Verstorbenen. Auch den katholischen Pfarrern ist die Gruppe mit Maria Schell gut bekannt, inzwischen wird man auf die Wünsche der Verstorbenen, die sie meist noch zu Lebzeiten äußern, oder auch der betroffenen Familie gern eingegangen. Und so ergänzen sich das traditionelle römisch-katholische Ritual und das Beerdigungsritual mit Gebeten und Gesängen, die die Russlanddeutschen noch von ihren Großeltern kennen, gegenseitig. Im atheistischen Russland wurde im Haus des Verstorbenen bis zur Beerdigung die Trauerwache gehalten.

    In dieser Zeit wurden Kirchen- und Beerdigungslieder gesungen, die man aus Deutschland mit der Einwanderung mitgebracht hat. Diese Lieder sind heute in Deutschland nicht mehr bekannt und können mit dem Aussterben der älteren Generation der Russlanddeutschen verloren gehen. Dieser Lied- und Gebetsschatz ist ein Teil der alten deutschen Kultur und sollte den kommenden Generationen weitergegeben werden, mit diesen Worten leitet Schwester Anna Egger die Gesänge und Gebete auf der Begleit-CD ein. Von der Lebensweise und Traditionen der Russlanddeutschen war Schwester Anna bereits in den 90er Jahren fasziniert.

    Seit 1995 wirkte sie im sibirischen Omsk am Aufbau der katholischen Kirche mit und leistete seit 2000 Seelsorgearbeit für die katholischen Aussiedler in Nürnberg. Für diese selbstlose Verkörperung der christlichen Nächstenliebe, Toleranz und interkulturelles Verständnis wurde sie vom Bundespräsidenten 2009 mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Vor ihrer Rückkehr in die Ordensgemeinschaft war es ihr noch ein Herzensanliegen, die Lieder und Gebete des Beerdigungsrituals, die in dieser Art in Deutschland nicht mehr bekannt sind, aufzuzeichnen und sie so vor dem Vergessen zu bewahren. Die Frauen und Männer der Gesangsgruppe stehen mit ihren Lebensgeschichten und ihrem gelebten Glauben stellvertretend für viele andere Landsleute, die auch in den schwierigsten Zeiten den Mut hatten, dem atheistischen System zu trotzen und unbeirrt am Glauben, an ihrer deutschen Muttersprache und am Erbe ihre Vorväter festzuhalten. Die katholischen Gemeinden in der ehemaligen Sowjetunion bestanden zum größten Teil aus Gläubigen, deren Vorfahren sich im 18. und 19. Jahrhundert im Wolgagebiet und am Schwarzen Meer angesiedelt hatten. Die sogenannte deutsche Diözese Tiraspol wurde 1848 eingerichtet und umfasste das Wolgagebiet, die Südukraine, die Krim und reichte bis zum Kaukasus und nach Bessarabien alles Regionen, in denen die Deutschen unter den Katholiken eine Mehrheit stellten. 1919 waren unter 180 Geistlichen 132 Deutsche, ferner waren es Polen und Vertreter anderer Nationalitäten. Auch in Kasachstan und Sibirien entstanden katholische Gemeinden polnischer und deutscher Auswanderer bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts.

    In den nachfolgenden Jahrzehnten bis zur bolschewistischen Revolution 1917 war in den deutschen Kolonien katholischen bzw. evangelischen Glaubens sowohl an der Wolga als auch in Schwarzmeergebiet ein vielfältiges religiöses und Kirchenleben entstanden: mit neu errichteten Kirchen, seelsorgerischer und karitativer Tätigkeit, Priesterausbildung, aber auch mit Volksmissionen, Bittprozessionen, Wallfahrten und Firmungen.

    Das 20. Jahrhundert mit der kommunistischen Revolution und den beiden Weltkriegen brachte den Russlanddeutschen gewaltige Einschnitte – bis zum Verlust der eigenen Identität und einer massenhaften Auswanderung in das Land der Vorfahren nach über 200 Jahren Existenz in Russland und der Sowjetunion. Viele Russlanddeutsche erlebten bis weit in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Ausgrenzung bis hin zur Diskriminierung auf Grund der Zugehörigkeit zur deutschen Nationalität. Und es zeigte sich immer wieder ein Festhalten am Glauben, das den Familien half, unmenschliche Strapazen zu ertragen. In der Sowjetzeit nach 1917 wurden auch die deutschen Katholiken verfolgt, vertrieben und über die ganze Sowjetunion verstreut. In den 30-er und 40-er Jahren wurden in der UdSSR praktisch alle katholischen Geistlichen ermordet oder verurteilt; es ist nur wenigen gelungen, in den stalinistischen Lagern zu überleben. Nach 1929 wurden die Kirchen nach und nach geschlossen und umfunktioniert, das Läuten der Glocken wurde 1929 verboten, die Glocken abgenommen und eingeschmolzen. Aus Gotteshäusern wurden in den 30-er Jahren Kinos, Schulen, Museen, Gaststätten, Lagerhallen, Wohnhäuser, Werkstätten, Viehställe usw. manche wurden abgerissen. Glauben lebte nur noch im Untergrund – Generationen von Katholiken waren ohne Unterweisung groß geworden. Nach Stalins Tod 1953 wurden aus dem berüchtigten Karaganda-Lager mehrere Geistliche entlassen. Sie suchten die Gläubigen heimlich in den Deportationsgebieten Sibiriens, Kasachstans und Zentralasiens auf, hörten Beichten, dienten mit Taufen und Trauungen, immer auf der Flucht vor dem KGB. Gläubige versammelten sich heimlich in Privatwohnungen oder auf Friedhöfen zum gemeinsamen Gebet und zur Bibellesung. Durch Unterdrückung und Verfolgung des atheistischen Sowjetsystems verringerten sich die katholischen Gemeinden überall im Lande erheblich. Und dennoch: Auch in den Zeiten des militanten Atheismus in der Sowjetunion innerhalb von 70 Jahren hielten viele Russlanddeutsche am Glauben und der Sprache ihrer Vorfahren fest meist heimlich und unter Gefahr für die eigene Freiheit und das Leben. Kirche und Glaube waren für die Russlanddeutschen in allen Zeiten der Anker in der Not und eigentliche Heimat. In den traditionellen russlanddeutschen Familien bedeutete deutsch gleich christlich. Vor allem in der schwierigen Zeit der Verfolgung wurde Gott als tröstende und stärkende Kraft gesucht. Ohne Kirchen und ohne Priester konnte der christliche Glaube nur durch das mutige Engagement der Laien erhalten bleiben. Einfache russlanddeutsche Frauen, die trotz Verfolgung und Strapazen standhaft an ihrem Glauben hielten und dadurch auch den anderen die Hoffnung auf bessere Zeiten vermittelten, hielten die Gläubigen zusammen. Im geheimen spendeten sie die Nottaufe, vollzogen die christliche Eheschließung und die Totenbestattung, bereiteten die Kindergruppen auf die Kommunion vor. Jahrzehntelang lebte die katholische religiöse und kulturelle Tradition im Verborgenen weiter, vor allem als ethnisch-religiöse Tradition, aufrechterhalten in den Familien – meist von älteren Frauen, den Großmüttern, die zu Hause beteten und ihren Enkelkindern das Beten beibrachten. Wie wertvoll der Glaube in vielen Familien war, zeigt auch die Tatsache, dass die Bibel bei allen Deportationen, Verfolgungen und Wanderungen als erste ins Gepäck gehörte und von Generation zur Generation weiter gegeben wurde. Alte Bibeln und Gesangbücher, vor über 100 Jahren in Leipzig, Göttingen oder Stuttgart, aber auch in Saratow, Riga und Odessa herausgegeben, hatten alle Strapazen ihrer Besitzer mitgemacht. Über 100 Jahre wanderten diese Gottesbücher in dem großen Russischen Imperium herum und gehörten auch zum Gepäck bei der Auswanderung nach Deutschland.

    Seit Mitte der 70er Jahre entschärfte sich die kirchliche Situation ein wenig. Aber vor allem die demokratischen Wandlungen nach 1985 haben dazu beigetragen, dass man auch den katholischen Glauben öffentlich ausüben durfte. Inzwischen sind drei Russlanddeutsche katholische Bischöfe in verschiedenen Regionen der ehemaligen Sowjetunion: Bischof Josef Werth in Westsibirien Russland, Bischof Athanasius Schneider in Karaganda / Kasachstan, Bischof Nikolaus Messmer in Kirgisien. Der Ausgang der Russlanddeutschen, darunter vieler Katholiken, bedeutete auch für die katholische Kirche in allen Nachfolgestaaten der Sowjetunion einen enormen Verlust. Noch Anfang der 90er Jahre waren bis zu 70 Prozent und mehr der katholischen Gemeinden auf dem postsowjetischen Raum Russlanddeutsche. Heute stellen die Deutschen weniger als die Hälfte, oder auch nur ein Drittel der Gemeinden.

    In Deutschland leben derzeit etwa 2,8 Millionen Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion, die im Laufe von über fünf Jahrzehnten in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Aussiedler mit russlanddeutschen Wurzeln gibt es inzwischen in jeder Stadt und in jeder Kirchengemeinde, etwa 700.000 bekennen sich zum katholischen Glauben. Für sie ist der Visitator Dr. Alexander Hoffmann im Auftrag der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz zuständig ebenfalls ein Russlanddeutscher aus Karaganda.

    Der religiöse Hintergrund der Spätaussiedler ist sehr unterschiedlich. Während der christliche Glaube in der Sowjetunion 70 Jahre lang aus der Öffentlichkeit verdrängt wurde und bei vielen ganz verloren ging, wurden mehrere dagegen in ihrem Glauben gestärkt und waren bereit, ihn unter vielen Opfern weiter zu tragen. Und so bringen viele Russlanddeutsche, vor allem Vertreter der älteren Generationen und der traditionellen Familien, eine so tiefe und zweifellose Bindung an den Glauben mit, die hier im weitesten Sinne nicht mehr so gelebt wird. Das betrifft auch den Umgang mit Sterben und Abschiednehmen, der in der hiesigen Gesellschaft inzwischen in vieler Hinsicht anders ist. Die Beerdigung in einer russlanddeutschen Familie ist in der Regel immer noch etwas Besonderes. Nicht selten versammeln sich zum letzten Geleit bis zu 200 Personen die sämtliche Verwandtschaft. Der Zusammenhalt unter den auch in Deutschland nicht selten verstreut lebenden Familienangehörigen oder alten Bekannten ist groß. Oft gehen gerade russlanddeutsche Familien viel offener mit dem Sterben um. Alle backen Kuchen und es wird Abschied genommen. Die hohe emotionale Bedeutung des Abschieds ist für die Familien wichtig. Die Russlanddeutschen haben traditionell auch ein anderes Verhältnis zur Leiche, der Leichnam wird mit viel weniger Scheu behandelt. In der alten Heimat wurde der Sarg offen aufgebahrt und blieb bis zum Einsenken ins Grab offen. Die Angehörigen nutzten dies zu einer letzten persönlichen Verabschiedung vom Verstorbenen. So wie einst im Herkunftsland, wird der Verstorbene auch hier häufig und gerne besucht, es wird manchmal eine regelrechte Totenwache gehalten so wie es auch in der alten Heimat drei Tage lang Brauch war. Auch der häufige Körperkontakt zum Leichnam ist in russlanddeutschen Familien üblich – das Streicheln, Umarmen und Küssen gehören zum Abschiednehmen. Am Sarg oder am Grab stehen alle ganz dicht nebeneinander, einschließlich Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen, und es werden Fotos wie bei einer Taufe oder Hochzeit gemacht.

    In den russlanddeutschen Familien finden sich auch nach Jahrzehnten noch typische Abschiedsbilder von Toten in den Familienalben. Für Angehörige, die nicht zur Beerdigung kommen können, ist dies eine wichtige Möglichkeit zu Teilhabe an der Trauerfeier. Diese etwas andere Art zu trauern und Abschied zu nehmen, stößt bei den einheimischen Mitbürgern, aber auch bei Kirchenmännern und Bestattungsmitarbeitern noch nicht selten, wenn nicht auf Ablehnung, so doch auf gewisses Unverständnis bis zu Befremden. Aber es gibt viel mehr Orte, wo man diese andere Art des Umgangs mit dem Tod als Bereicherung erkannt hat. Das Ehrenamt der Gesangsgruppe mit Maria Schell zeigt es.

    Die Broschüre beginnt mit Inhalten, die sich mit Sterben und Abschiednehmen beschäftigen, und sie endet mit Gedenken und Erinnerung an die unzähligen russlanddeutschen Opfer, die unter der Willkürherrschaft in Russland und der Sowjetunion leiden und sterben mussten. Wo unsere Toten ruhen, liegt unsere Heimat hieß ursprünglich der Beitrag der Journalistin Erika Kip im Deutschen Ostdienst über die Vertriebenen-Gedenkstätten und Mahnmale. Eine Beschreibung, die auch für die Schicksalsgemeinschaft der Deutschen aus Russland einen tieferen Sinn in sich birgt. Viele russlanddeutsche Familien haben die Gräber ihrer Nächsten in der alten Heimat zurückgelassen. Auch das mussten die Russlanddeutschen in ihrer Geschichte nicht einmal tun – ihre Heimat verlassen und die Gräber ihrer Toten zurücklassen. Infolge der Vertreibungen und Zwangsumsiedlungen im 20. Jahrhundert ist in den ursprünglichen deutschen Siedlungsgebieten für Jahrzehnte keiner geblieben, der sich um die deutschen Gräber der verstorbenen Vorväter auf den Friedhöfen an der Wolga, im Schwarzmeergebiet oder im Kaukasus kümmert, einst liebevoll gepflegt – heute meist vernachlässigt, verfallen, geschändet. Zahlreiche russlanddeutsche Opfer der stalinistischen Repressionen im 20. Jahrhundert durften überhaupt kein Grab, kein Kreuz und keinen Grabstein haben namenlos verscharrt irgendwo in der Taiga oder einfach am Wegrand. Und so hat es für viele russlanddeutsche Familien, die ihre Nächsten in der Verbannung, bei der Vertreibung, auf dem Fluchtweg oder bei der Zwangsarbeit in der Trudarmija verloren hatten, nie einen Ort gegeben, an dem sie ihre Verstorbenen wissen. Um so wichtiger ist es für die Deutschen aus Russland, die diese Erfahrung von Heimat- und Identitätsverlust innerhalb von Generationen als Trauma erfahren mussten, in der neuen Heimat Orte und Gedenkstätten zu schaffen, an denen sie trauern, beten und ihrer Verstorbenen gedenken können. In den letzten Jahrzehnten sind von Deutschen aus Russland in verschiedenen deutschen Städten Gedenkstätten errichtet worden, die das Leid der Volksgruppe manifestieren und zum Ort der Besinnung und des Gedenkens an die unzähligen Opfer aus eigenen Reihen geworden sind.

    Am 28. August 2002 wurde auf dem Berliner Parkfriedhof Marzahn das Mahnmal Die letzte Kraft eingeweiht. Der Künstler Jakob Wedel hatte die Plastik Aus letzter Kraft für das Denkmal geschaffen. Als Vorbild dafür diente ihm seine Mutter, wie er sie in einem Steinbruch der Trudarmee erlebt hatte. Allein in dieser Familie fielen 14 unschuldige Menschen dem stalinistischen Terror zum Opfer. Aussiedler in Berlin rund um den Verein Vision e.V. hatten die Errichtung der Gedenkstätte für die ermordeten Eltern und Großeltern initiiert, unterstützt von zahlreichen Spendern und Gönnern. Auch einige Ortsverbände der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland haben auf Friedhöfen ihrer Gemeinden Gedenksteine aufgestellt und dadurch Orte des Gedenkens geschaffen, an denen sie sich Jahr für Jahr im August an die Opfer der Vertreibung und des stalinistischen Terrors erinnern. So haben in Augsburg die Gedenkfeier zu Ehren der Opfer der Vertreibung auf dem Neuen Friedhof in Augsburg Tradition – vor dem Denkmal, das der Ortsverband der Landsmannschaft 1997 errichtet hatte. Zweimal im Jahr versammeln sich in Osnabrück Mitglieder der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland und andere Landsleute zum Gedenken an die Opfer der Vertreibung am Heger Friedhof Osnabrück. Auf Spenden ihrer Mitglieder hat der Ortsverband hier einen Gedenkstein mit der Aufschrift aufgestellt: Allen Russlanddeutschen zum Gedenken, die in der Fremde ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Ihre Gräber liegen in der Ferne, doch leben sie weiter in unseren Herzen. Der Opfergang der Russlanddeutschen im 20. Jahrhundert, vor allem nach der Deportation 1941, steht auch im Mittelpunkt der Gedenkveranstaltungen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. und deren Ortsgliederungen bundesweit. Mit zentralen Gedenkfeiern in Wiesbaden, Augsburg, Stuttgart, Berlin und vor allem aber auf dem Gelände des Grenzdurchgangslagers Friedland ist die Landsmannschaft bestrebt, die deutsche Öffentlichkeit auf das tragische Schicksal der Deutschen in der ehemaligen Sowjetunion aufmerksam zu machen. Sie erinnert mit diesen Trauerfeiern an die Vertreibung der Volksgruppe, deren tragischer Höhepunkt mit dem Regierungserlass vom 28. August 1941 eingeleitet wurde.

  • Viktor Bruhl, Michael Wanner Russland-Deutsche Zeitgeschichte

    „Gedenkbuch Altai und Omsk“. Staatsterror an den Deutschen in den Regionen Altai und Omsk 1919-1953 Erschienen 2009, 299 Seiten, bebildert, mit Tabellen und Karten.

    Der siebte Band der Reihe Russland-Deutsche Geschichte (erschienen 2009) des Historischen Forschungsvereins der Deutschen aus Russland behandelt den Staatsterror an den Deutschen in den Regionen Altai und Omsk in den Jahren 1919-1953. Versehen mit zahlreichen Tabellen, Karten der Ansiedlung der Deutschen in den beiden Regionen, einer Dokumentensammlung und Namenslisten von Opfern des staatlichen Terrors befasst sich das Buch auf 300 Seiten (Format DINA 4) mit folgenden Schwerpunkten: Das Leben der deutschen Kolonisten in Sibirien vor 1917, die Zwangskollektivierung und ihre Folgen in den Jahren 19229-1933, die Deutschen in Sibirien in den Jahren des Politischen Terrors der Jahre 1937-1953.

    „Wie Eine entscheidende Bedeutung bei der Arbeit an diesem Buch hatte die Frage: War das Schicksal der Russlanddeutschen etwas Besonderes oder haben sie dasselbe erlebt, was Russen und nationalen Minderheiten in der UdSSR auch widerfahren ist? Diese Frage ist in den letzten Jahren sowohl in öffentlichen Diskussionen als auch unter Wissenschaftlern sehr aktuell geworden. Eine eindeutige Antwort steht noch aus“, schreibt der Autor Dr. Viktor Bruhl im Vorwort zum Buch. Russlanddeutsche hatten schon im zaristischen Russland Schwierigkeiten, die überwiegend durch Spannungen in den deutsch-russischen Beziehungen ausgelöst wurden. Es gab aber auch andere Gründe, darunter die Tatsache, dass Russlanddeutsche nicht bereit waren, sich zu assimilieren (russifizieren). Sie wollten ihre nationale, religiöse und wirtschaftlich-kulturelle Lebensart nicht aufgeben, sondern pflegten und entwickelten sie weiter. Auch die kommunistischen Machthaber waren nicht bereit, die Sonderrolle der Deutschen zu tolerieren. Sowohl im zaristischen Russland als auch zur Sowjetzeit waren die Besonderheiten im Verhältnis der Machthaber gegenüber den Russlanddeutschen offensichtlich. Nach Hitlers Machtergreifung 1933 wurden die nationalen Merkmale zum wichtigsten Bestandteil der Einstellung der Sowjetmacht gegenüber den Russlanddeutschen. Unter den Erwachsenen führte man Säuberungen und Repressalien durch, um die Deutschen einzuschüchtern und zur Unterwerfung zu zwingen. In den Jahren des großen Terrors 1937-1938 beschloss das Politbüro des ZK der VKP(b) zielgerichtete Maßnahmen gegen eine Reihe von Nationalitäten entsprechend deren nationalem Merkmal durchzuführen. Und auch hier waren Deutsche wieder am härtesten betroffen. Infolge des 2. Weltkrieges wurden Tausende und Abertausende Deutsche in die Region Altai und das Gebiet Omsk deportiert – als Personen deutscher Nationalität. Bemerkenswert ist, dass auch nach dem Krieg Russlanddeutsche als „Nationalitäten anderer Länder“ („Fremde“) geführt wurden. Die Russlanddeutschen, die während des Krieges in Deutschland waren (repatriierte Deutsche), standen obendrein unter doppeltem Verdacht und stärkerer Überwachung.

    1991 veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation „Memorial“ in der deutschsprachigen Moskauer Zeitung „Neues Leben“ zum ersten Mal Listen mit den Namen russlanddeutscher Opfern unter Stalins Regime. Es handelte sich nur um einen Bruchteil aller repressierten Deutschen, und die Liste enthielt auch nur Familien- und Vornamen aus dem Gebiet Odessa. Nach dem Zerfall der UdSSR wurde der Zugang zu den Archiven der Ex-Sowjetunion etwas erleichtert. Viele Einzelpersonen versuchten bald, aus eigenen Kräften an die Akten ihrer Vorfahren heranzukommen. So auch Michael Wanner. Dabei lernte er Anton Bosch und Anton Bertsch kennen. Sie beschlossen die Opferlisten des „Memorial“ zu erweitern und mit mehr Daten auszustatten. Der vor zehn Jahren gegründete „Historische Forschungsverein der Deutschen aus Russland e. V.“ (HFDR) war dafür die beste Plattform.

    „Nach angestrengter Archivarbeit und guter Zusammenarbeit mit den Memorial-Gesellschaften von Odessa, Nikolajew und Cherson konnten wir das erste Kapitel unserer Arbeit beenden. 2006 kam das Trauerbuch Odessa mit 8739 Opfern aus den Gebieten Odessa, Nikolajew und Cherson heraus. Die erste Auflage von 500 Exemplaren war in sechs Monaten vergriffen. Der HFDR bekam viele Dankesbriefe. Zahlreiche Landsleute hatten in unserem Buch Daten über Urteile und den Tod ihrer Verwandten gefunden, die von früheren schriftlichen Angaben sowjetischer Behörden auf ihre Anfragen abwichen. Es kamen auch Briefe, in denen Betroffene den HFDR baten, ihre Verwandten im nächsten Opferbuch zu berücksichtigen. Dadurch sah sich unser Verein ermutigt, 2007 eine zweite Auflage mit insgesamt 10246 Personen zu veröffentlichen“, schreibt Michael Wanner unter anderem in seinem Vorwort. Erst 1989 gab das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR offiziell zu, dass die Deportation der Deutschen entsprechend dem Ukas vom 28. August 1941 gesetzeswidrig war. Zwei Jahre später wurden Russlanddeutsche endlich als Opfer politischer Repressalien rehabilitiert. Nach Schätzungen sowjetischer Menschenrechtler wurden durch den Terror zwischen der Oktoberrevolution 1917 und Stalins Tod 486.000 Deutsche in den Tod getrieben.“Die Opferzahlen in den Regionen Altai und Omsk sind zweifellos viel höher, als wir sie in diesem Buch unseren Lesern vorlegen. Es ist auch bekannt, dass viele Verhaftete ohne Gerichtsverfahren und ordentliche Registrierung umgebracht wurden. Ein Teil der Akten wurde vom Geheimdienst beim Zerfall der Sowjetunion vernichtet. So bleibt das Schicksal vieler Opfer auch weiterhin unbekannt. Wir können aber nicht länger warten und wollen wenigstens den 5158 Opfern des Terrors in den Regionen Altai und Omsk eine letzte Ehre erweisen. Der amerikanische Präsident der Jahre 1981 bis 1989, Ronald Reagan, sagte: Die ganze Welt weiß alles über die Verbrechen der Deutschen, aber nichts über die Verbrechen an Deutschen. Dem ist eigentlich nichts hinzuzurugen. Der Historische Forschungsverein der Deutschen aus Russland sieht einen wichtigen Auftrag darin, die Geschichte unserer Volksgruppe an die Menschen der ganzen Welt und insbesondere an die kommenden Generationen der Russlanddeutschen weiterzugeben“, so Michael Wanner.

    Zu den Autoren:

    Viktor Bruhl wurde 1960 in Tschernyschewka im Altai geboren, wohin seine Eltern im September 1941 aus dem Kanton Mariental / Wolga deportiert worden waren. Seit 1995 lebt er in Deutschland (seit 1996 in Göttingen). 1992 promovierte er mit einem Thema zur Sozialgeschichte und lehrte an der Altaier Technischen Universität Barnaul im Fach „Geschichte Russlands“. Zur gleichen Zeit veröffentlichte er zahlreiche Artikel und Abhandlungen zur Geschichte der Russlanddeutschen, darunter die zweibändige Monographie „Nemcy v Zapadnoj Sibiri“(Die Deutschen in Westsibirien, 1995). Seitdem ist er mehrfach mit Vorträgen und Monographien zur Geschichte der Deutschen in Russland (UdSSR) auf internationalen Konferenzen aufgetreten. Im Jahre 2003 erschien beim HFDR sein zweibändiges Werk in deutscher Sprache „Die Deutschen in Sibirien“. Dr. V. Bruhl ist Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission für die Deutschen in Russland und der GUS (Göttingen), der Internationalen Assoziation für Forschung der Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen (Moskau) und des Historischen Forschungsvereins der Deutschen aus Russland (Nürnberg).

    Michael Wanner wurde 1953 in Stepnjak (Kasachstan) geboren, in einer aus Landau (Gebiet Odessa) deportierten deutschen Bauernfamilie. Bis zur Ausreise nach Deutschland 1989 (wohnhaft in Regenstauf/Bayern) arbeitete er als Techniker-Mechaniker in einem Reparaturbetrieb. Geschichte war schon immer sein Lieblingsgebiet. Er erforschte den Stammbaum der Wanners über zehn Generationen und ging dabei insbesondere den Fragen nach, warum seine Ahnen vor 200 Jahren aus der Pfalz nach Südrussland zogen und wie seine nächsten Verwandten nach Kasachstan gelangten. Michael Wanner ist einer der Mitbegründer des „Historischen Forschungsvereins der Deutschen aus Russland e. V.“ Neben der Erforschung der Geschichte seiner Vorfahren wandte sich der Forscher aus Passion in Zusammenarbeit mit Archiven und Forschungsstellen in Deutschland und in der GUS verstärkt dem Thema „Repressalien des stalinistischen Regimes“ zu.

  • Anton Bosch, Anton Bertsch, Michael Wanner Russland-Deutsche Zeitgeschichte

    „Trauerbuch Odessa – 2“ Stalins Staatsterror an den Deutschen in den Gebieten Odessa, Nikolajew und Cherson/Ukraine 1928-1953 Vergriffen!

    Erschienen 2006, 276 Seiten, bebildert, mit Tabellen und Karten.

  • Gerhard Walter Buchdeckel

    Die Geschichte der Russlanddeutschen

    Neu erzählt

    Am Beispiel der Familie Walter

    Aus Grötzingen/Baden

    Von Gerhard Walter: Hallo! Mein Name ist Gerhard Walter. Ich bin geboren am 15.10.1929. In Stuttgart.

    Obwohl ich in Stuttgart geboren und aufgewachsen bin und eigentlich keinen Bezug zu den Russlanddeutschen haben müsste, stellte ich mir die Aufgabe, nachdem so viele Familienmitglieder und unzählige russlanddeutsche Familien als Aussiedler zu uns in die Heimat ihrer Ahnen zurückgekommen sind, eine Familiengeschichte zu schreiben und diese in Zusammenhand mit der allgemeinen Geschichte der Russlanddeutschen zu bringen.

    Mein Vater hatte das Glück, schon 1923 nach abenteuerlicher Flucht nach Deutschland zu gelangen und so der Revolution mit ihrer roten Flut in Russland zu entkommen. Seine Erzählungen über das Leben in den deutschen Kolonien in Russland inspirierten mich, die frühe Vergangenheit der ersten Ansiedler zu erforschen, über die bisher wenig bekannt war. Ich hoffe, dies ist mir mit diesem Buch einigermaßen gelungen und es soll andere Autoren anspornen, ebenfalls in dieses Thema einzusteigen. In den Archiven in der Ukraine schlummern noch manche Schütze, die gehoben sein wollen.

    Zusätzlich zu dieser russlanddeutschen Geschichte habe ich noch die Lebensgeschichte meines Vaters aufgearbeitet, um den Unterschied zwischen dem Leben in einem sozialistischen und in einem freien kapitalistischen Staat zu verdeutlichen. Das Urteil soll sich der Leser selber bilden.

    Gerhard Walter, www.guewalter.de

    Lebendige Ahnen (PDF, ~27 MB)

  • Anton Bosch, Anton Bertsch, Michael Wanner Russland-Deutsche Zeitgeschichte

    „Trauerbuch Odessa“ Stalins Staatsterror an den Deutschen in den Gebieten von Odessa und Nikolajew/Ukraine 1928-1953 Vergriffen!

    Erschienen 2006, 274 Seiten, bebildert, mit Tabellen und Karten.

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort8
    Kurzbiographien der Autoren11-12
    Vom Aufbau des Sozialismus zur Liquidierung der „fünften Kolonne“13
    Großliebentaler Kolonistenbezirk, DNR „Spartakus“21
    Großliebental (Welikodolinskoje)25
    Alexanderhilf (Dobroalexandrowka)27
    Kleinliebental (Malodolinskoje)30
    Neuburg (Nowogradowka)32
    Josefstal (Sergejewka)34
    Peterstal (Petrodolinskoje)36
    Mariental (Georgijewka)37
    Franzfeld (Nadlimanskoje)38
    Freudental (Nikolajewskoje)40
    Lustdorf (Tschernomorka)41
    Güldendorf (Krasnoselka)42
    Karlstal (Nikolajewskoje)43
    Glückstaler und Hoffnungstaler Kolonistendörfer44
    Hoffnungstal (Zebrikowo)44
    Hoffnungsfeld (Torosowo)46
    Neu-Berlin (Worobjewo)47
    Glückstal bei Grigoriopol (Glinnoje)47
    Neudorf (Karmanowo)49
    Bergdorf (Kolosowo)50
    Kassel (Welikokomarowka)50
    Friedental (Trechgrady)51
    Kleinbergdorf (Malaja Kolosowka)52
    Kutschurganer Kolonistenbezirk, DNR „Friedrich-Engels“53
    Selz als selbständige Gemeinde (Limanskoje)57
    Kandel (Limanskoje)61
    Straßburg (Kutschurgan)66
    Baden (Kutschurgan)68
    Mannheim (Kamenka)70
    Elsass (Schtscherbanka)72
    Bischofsfeld (Kornejewka)73
    Deutsch – Ponjatowka73
    Sturpelz (Stepanowka)74
    Friedenheim (Wygoga)75
    Einwohner- und Gesamtopferzahlen im Kutschurganer Kolonistenbezirk (Tabelle)76
    Gesamtopferzahlen der Dörfer, Rayonzentren und der Stadt Odessa (Tabelle)77
    Beresaner Kolonistenbezirk, DNR „Karl-Liebknecht“ (Nikolajew)78
    Landau (Schirokolanowka)81
    Karlsruhe (Kalestrowo)83
    Blumenfeld (Anatoljewka)84
    Halbstadt/Goldstadt (Petrowka)86
    Johannestal (Sergejewka)87
    München (Maloje Poretschje)88
    Rastadt (Bolschoje Poretschje)90
    Rohrbach (Nowo-Swetlowka)90
    Speyer (Pestschanyj Brod)92
    Sulz (Malaschewskoje)94
    Waterloo (Stepowoje)94
    Worms (Winogradnoje)95
    Katharinental (Katerinowka)96
    Johannesfeld (Nowo-Ljubowka)99
    Einwohnerzahl und Opfer im Beresaner Kolonistenbezirk (Gesamttabelle)99
    Stadt Nikolajew100
    Namenliste von Opfern des staatlichen Terrors
    Auszug aus Datenbank-Odessa (6.736 Personen)105
    Auszug aus Datenbank-Nikolajew (1.842 Personen)233
    Namensliste Gebiet Cherson (161 Personen)269
    Quellenangaben
    Bücher272
    Zeitungen274
    Archivunterlagen274
  • Anton Bosch Russland-Deutsche Zeitgeschichte

    „Unter Monarchie und Diktatur“ auf 504 Seiten mit zwei farbigen Landkarten, bebildert. Vergriffen!

  • Anton Bosch Russland-Deutsche Zeitgeschichte

    Mit Beiträgen über Aussiedelung und Auswanderung, auf 430 Seiten mit zwei farbigen Landkarten, bebildert.

  • Anton Bosch Russland-Deutsche Zeitgeschichte

    Mit Beiträgen aus den 1920er und 30er Jahren, auf 454 Seiten mit zwei farbigen Landkarten, bebildert.

  • Anton Bosch Almanach 2000/2001

    Auf 501 Seiten und mit zwei farbigen Landkarten. Vergriffen!

    Die Mitglieder des „Historischen Forschungsvereins der Deutschen aus Russland e.V.“ stellen in dieser Ausgabe ihre Forschungsergebnisse vor, in denen sie sich mit der Geschichte von der Anfangszeit der deutschen Siedlungen in Russland bis in die neuere Zeit der Repressalien im Sowjetsystem auseinandersetzen. 10 Historiker bringen ihre Beiträge auf den Prüfstand der Leserschaft und präsentieren diese als ihre symbolischen Visitenkarten.

    Nachfolgend ein Absatz aus dem Vorwort:

    „…Jeder Autor hat sich redlich bemüht, nach eigenen Erfahrungen und mit eigenem Verständnis subjektiv die geschichtlichen Ereignisse zu analysieren und zu deuten. Dies geben nicht die Vorgaben des HFDR, sondern die Standpunkte der Autoren wieder. Gerade die Vielfalt von Meinungen kann eine Annäherung an die Geschichte der Russland-Deutschen bewirken, dem interessierten Leser die Kultur und Geschichte der Russland-Deutschen etwas näher bringen, um das Interesse für sein Thema zu wecken und mehr Verständnis für die Aussiedler zu gewinnen. Hier wird nicht die „große“ Geschichte gezeichnet, sondern viele kleine Geschichten, wie sie sich in der Stadt, im Dorf, in der Familie, bei einzelnen einfachen Menschen abgespielt hat. Und nicht zuletzt stellt der Verein das Thema „Erinnerungen“ in dieser Ausgabe vor, weil sie der Forschung Bausteine liefern und den Betroffenen ihre Identität stärken…“

    Der HFDO hat dieses Handbuch im Mai 2001 herausgegeben und wird es auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse Ende Februar 2002 präsentieren.

  • Viktor Bruhl Die Deutschen in Sibirien

    Eine hundertjährige Geschichte von der Ansiedelung bis zur Auswanderung auf 544 Seiten mit zwei farbigen Landkarten, bebildert.

  • Viktor Bruhl Die Deutschen in Sibirien

    Eine hundertjährige Geschichte von der Ansiedelung bis zur Auswanderung auf 556 Seiten mit zwei farbigen Landkarten, bebildert.

  • Ulrich Mertens Handbuch Russland-Deutsche

    Mit Ortsverzeichnis ehemaliger Siedlungsgebiete, auf 562 Seiten und zwei farbigen Landkarten. Vergriffen!

    Ein junger Sachkenner (33), Sozialbearbeiter und Freund der Russlanddeutschen schrieb dieses Lexikon aus dringendem Bedürfnis als Hilfsmittel für die tägliche Praxis bei der Eingliederungsbetreuung der Spätaussiedler nieder. Es ist ein umfangreiches Kompendium der deutsch-russischen und russlanddeutschen Geschichte mit einem Wohnortsverzeichnis, das ca. 3.000 Ortsnamen der ehemaligen Siedlungsgebiete enthält. Dem geschichtsbewussten Leser ein liegt Nachschlagewerk über russland-deutsche und deutsch-russische vor, das die Ereignisse im Kontext der gesamteuropäischen Historie erläutert.

    Das Buch mit nützlichen Adressen und Angaben und zwei Landkarten ausgestattet ist.

    Der HFDO hat dieses Handbuch im Mai 2001 herausgegeben und wird es auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse Ende Februar 2002 präsentieren.

  • Johannes Kuhfeld Die Deutschen Kolonien an der Wolga

    Mit 445 Seiten und einer Karte seiner wichtigsten Tätigkeitsstationen

    Der Autor beschrieb 1911 Geschichte der Wolgakolonien, die zum 150jährigen Jubiläum der Einwanderung an die Wolga gedruckt werden sollte, aber geschichtliche Ereignisse haben das Erscheinen seines Werkes verhindert. Das Manuskript geriet in Vergessenheit, wurde vor wenigen Jahren wieder aufgefunden und liegt nun in Erstausgabe vor. Es zeigt in ungeschminkter Weise die Entwicklung der Wolgakolonien und ist eine Fundgrube für jeden geschichtsbewussten Russland-Deutschen und die Forscherzunft. In der Vergangenheit wurden von namhaften Historikern viele Bücher über die deutschen Kolonien an der Wolga geschrieben. Aber jetzt ist ein Werk erschienen, das alle anderen in den Schatten stellt.

    Johannes Kufeld, selbst ein Wolgadeutscher, hat in mühevoller Arbeit Material zusammengetragen, das zum größten Teil in den dörflichen wie auch den staatlichen Archiven Russlands verborgen war. Widrige Umstände wie Bürger- und Weltkriege verhinderten jedoch das Erscheinen. Das Manuskript galt als verschollen, nachdem es von Kufelds Witwe nach Deutschland gebracht worden war. 80 Jahre später wurde es wieder aufgefunden, und der“Historische Forschungsverein der Deutschen aus Russland“ hat die Aufgabe übernommen, das Werk aus Anlass des 90. Todestages von Pastor Kufeld herauszugeben. Damit wird dem Historiker unbekanntes Material und den interessierten Wolgadeutschen Einblick in die Vergangenheit ihrer Vorfahren geboten.

    Der Autor schildert nicht nur Lebensweise, Sitten und Gebräuche, Arbeitsweise, Familienleben, Schulwesen und Kirchen, sondern auch das Wirken der Obrigkeit. Er geht tiefer, hält seinen Mitmenschen einen Spiegel vor, in dem er ihnen schonungslos offenlegt, was in der Vergangenheit falsch gemacht wurde, zeigte aber auch Wege auf, wie man auf allen Gebieten Verbesserungen hätte erreichen können. Als Grundübel prangert er neben dem mangelhaften Schulsystem das russische Agrar bzw. Mirsystem an, bei dem jeder Familie Land nach der Anzahl ihrer männlichen Mitglieder zugewiesen wurde. Die Folgen beschreibt Kufeld so:

    „… Durch das hier herrschende Seelensystem … bleiben selbst die verheirateten Söhne im Haus. … Es gibt Baurnwohnungen, wo in 2-3 Zimmern bis zu 7 Himmelbetten nebeneinander stehen und die zahlreichen Kinder in der Nacht in Kisten und Kästen untergebracht werden.“ Drastisch beschreibt er die Lebensweise der Kolonisten. Ein Beispiel: „… Unsauberkeit in den Wohnungen gilt bei den Kolonisten als große Schande. Der Kolonist ist wohl auf sehr reine Leibwäsche bedacht, hat aber eine merkwürdige Furcht vor dem Wasser. … Beim Baden im Fluß sind es wohl die jüngeren Elemente, die älteren Leute halten dies für einen unnützen Luxus und meinen, es sei dem Fleische genug gefrönt, wenn der sündhafte Leib wenigstens ein mal im Jahr zu Hause abgewaschen wird.“

    Bedrückend und fast nicht zu glauben, sind Kufelds Ausführungen in dem Kapitel „Die Stellung der Frau in den Wolgakolonien“. Für uns heutige Menschen unvorstellbar. Und erst die Schulen! Dass nicht selten ein Lehrer zusammen mit einem Gehilfen 500 bis 1.000 Schüler zu unterrichten hatte, war bekannt. Die Gründe hierfür stellt Pastor Kufeld auf unnachahmliche Weise heraus und schont dabei auch die Kirche nicht. Aus Büchern anderer Autoren zitiert er reichlich überzogene Angriffe gegen die Kirche, verteidigt diese aber vehement gegen falsche Anschuldigungen. Das Verfassen des katholischen Teil des Buches überließ Kufeld seinem Kollegen Pastor Konrad Keller. Deutlich greift Kufeld die Beamtenschaft an, besonders die russische, aber auch die deutsche des Kolonisten-Kontors. Teilweise aus eigenem Erleben schildert er deren Methoden der Bereicherung etwa bei den an der Wolga häufig vorkommenden Prozessen: „…die Taktik war, daß man denjenigen der Parteien als Sieger hervorgehen ließ, der am meisten zahlte, und nahm keinen Anstand, die Siegerpalme abwechselnd der einen und der anderen Partei zu schicken, je nachdem wie sie ihre Zahlungen zwischenzeitlich erhöhten.“ So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass Kufeld die sittlichen Verhältnisse in den Kolonien anprangerte. Als einen der Gründe führte er an: „Mit zunehmendem Wohlstand ist immer ein sittlicher Verfall verbunden.“ Trotz aller beschriebenen Unzulänglichkeiten endet das Buch von Kufeld versöhnlich.

  • Konrad Keller Die Deutschen Kolonien in Südrussland

    Neuauflage der Original-Bücher von 1905 und 1914 in einem Band, Hardcovereinband, 603 Seiten. Vergriffen!

    Konrad Keller war einer der ersten rußlanddeutschen Historiker, der die Geschichte der deutschen Kolonien in Russland erforscht und diese in zahlreichen Veröffentlichungen beschrieben hatte. Sein zweibändiges Hauptwerk „Die Deutschen Kolonien in Südrußland“ erschien in den Jahren 1905 und 1914 und ist heute noch eine Fundgrube für den an der Vergangenheit der Rußlanddeutschen interessierten Leser.

    In früheren Zeiten weitverbreitet, heute aber nur in wenigen Exemplaren erhalten geblieben, sind diese beiden Bände nur noch einer Minderheit unter den Rußlanddeutschen unter dem Namen „Das Kellerbuch“ ein Begriff.

    Der „Historische Forschungsverein der Deutschen aus Russland e.V.“ hat Kellers umfangreiche Werke aus Anlaß seines 75. Todestages in einer Neuauflage herausgebracht. Diese Neuausgabe beinhaltet 2 Bände in einem Buch und ist auf 603 Seiten mit aus dem „Gotischen“ (Sütterlin) in die moderne deutsche Schrift übersetztem Originaltext und 118 Abbildungen verfaßt. Dem Werk sind Kellers Biographie, Lebens – und Tätigkeitsstationen sowie eine Ahnentafel als Vorwort zur Würdigung des Historikers vorangestellt.

    Band 1 (Original von 1905): „Ein Überblick der Kulturentwicklung der deutschen Kolonien in Südrußland im Verlaufe von 100 Jahren, nebst den Chroniken der katholischen Kolonien Kleinliebenthal. Josephsthal, Marienthal und Franzfeld, als Jubiläumsgabe zum 100jährigen Bestehen derselben.“

    Band 2 (Original von 1914): „Die Beresaner Kolonien: Landau, Speier, Sulz, Karlsruhe, Katharinenthal, Rastadt und München historisch, geographisch und statistisch beschrieben und als deutsches Kulturbild aus den südrussischen Steppen dargestellt von P. Konrad Keller, freisigniertem Pfarrer, wirklichem Mitglied der bibliographischen Gesellschaft an der Kaiserlichen – Neurussischen Universität und Ehrenmitglied des Klemensvereins in der Diözese Tiraspol.“