Anhang zum HFDO-Kalender für 2012
In vorliegenden Familienforschungsunterlagen sind schriftliche Angaben und Hinweise auf eine Auswanderung oder Umsiedlung von Personen oder Familien aus dem Wolgagebiet enthalten, die durch Werber aus den Industriegebieten in Mittelpolen (1815-1831 offiziell Kongress-Polen, die Bezeichnung wurde endgültig 1867 aufgehoben) angeworben wurden. Sie wurden in der Regel in den neuen Siedlungsorten (Kolonien) im Gouvernement (Gubemia) Lodz – Piotrköw Trybunalski (Petrikau) angesiedelt und arbeiteten in den umhegenden Textil- und Maschinenfabriken. Wahrscheinlich aus gesundheitlichen Gründen oder wegen Tod der Eltern kehrten teilweise die Kinder oder Angehörigen der Arbeiter in die Heimat, an die Wolga, zu den Großeltern oder zu Verwandten zurück.
Jeder Ahnenforscher stellt sich hier die Frage: „Ist das möglich? Kann das sein?“ So oder ähnlich lassen sich unerklärliche Details oder Angaben beschreiben, die eine weitere Vertiefung in der Ahnenforschung erfordern.
Unsere Forschungsreise an die Wolga nach Samara (1935— 1990 Kuibyschew), Saratow, Engels (bis 1931 Pokrowsk, ehemalige Hauptstadt der Wolgarepublik) und Marx (bis 1920 Katharinenstadt) sollte die erhofften Ergebnisse bringen. Die Recherchen vor Ort in den Beständen der Archive führten trotz intensiver Suche zu keinen Ergebnissen. Es bestand wahrscheinlich keine Verpflichtung, die auswandernden oder umsiedelnden Personen dokumentarisch zu erfassen. Da eine Anfrage zu diesem Thema in den Intemetforen der Ahnenforscher zu keinem verwertbaren Ergebnis führte, war eine detaillierte Forschung in den Archiven und vor Ort in Deutschland und Mittelpolen erforderlich. Durch die Informationen von Martina Wermes, Sächsisches Staatsarchiv / Staatsarchiv Leipzig, Deutsche Zentralstelle für Genealogie, Schongau- erstr. 1, D-04328 Leipzig, www.staatsarchiv.sachsen.de, wurden nachfolgende Forschungshinweise (Schrifttum, genealogische Vereinigungen, Archive, Bibliotheken, Sammlungen) weiterverfolgt:
Rösler, Andreas: „Wegweiser für genealogische und historische Forschungen in ehemals deutschen Siedlungsräumen im östlichen Europa“ (AGoFF-Wegweiser), Zittau 2009.
Die wechselvolle Geschichte unseres östlichen Nachbarn macht es den Nachfahren nicht leicht, Informationen über die spannende Geschichte ihrer Vorfahren in Mittelpolen zu recherchieren. Wer die Lebensbedingungen unserer Vorfahren besser verstehen möchte, kommt an einer Betrachtung der europäischen, insbesondere der polnischen, preußischen und der russischen Geschichte nicht vorbei. Der bekannte Geograph, Forscher und Schriftsteller Dr. Eugen Oskar Kossmann hat in seinem Buch „Deutsche mitten in Polen: unsere Vorfahren am Webstuhl der Geschichte“ einen breit gefächerten Streifzug durch die einstigen Heimatgebiete der Deutschen in Mittelpolen beschrieben. Er gibt Antwort auf die Frage, wie das so genannte Lodzer Wunder geschah und warum Lodz als das „Manchester“ Osteuropas bezeichnet wurde, und gibt eindeutige Hinweise für die Suche nach Arbeitskräften in der damaligen Zeit. Zu beachten ist, dass es nach den anfänglich starken Einwanderungen auch zu erheblichen Abwanderungen kam, was während und nach den polnischen Aufständen (1830/1831 und 1867) im größeren Umfang geschah. So manche Ankömmlinge wanderten wieder zurück in die deutsche Heimat, viele zogen weiter nach Russland, einige kehrten von Russland auch wieder zurück in die neuen Industriegebiete rund um Lodz und Piotrköw Tryb. Es ist und bleibt also unsere Aufgabe, die Vorgeschichte in Mittelpolen mit ihrer besonderen Geschichte zu erforschen.
Die Suche nach den Wolgadeutschen in Mittelpolen ist hier eine besondere Herausforderung. Zeigt sich hier doch die Erkenntnis, dass keinerlei Angaben auf die Herkunft, den vorherigen Wohnsitz, die familiären Bindungen und die Ursachen der Umsiedlung von der Wolga nach Mittelpolen vorliegen. Die Forschungsreise nach Polen und die Recherchen vor Ort in den Beständen der Archive in Lodz und Piotrköw Tryb. sollten die erhofften Ergebnisse bringen. Die erarbeiteten Forschungsunterlagen, die Irmgard Müller, D- 04824 Beucha, Weidenweg 17, www.mittelpolen.de, Leipziger Genealogische Gesellschaft, www.Igg-leipzig.de, im Rahmen ihrer Forschungstätigkeit „Familienforschung in Mittelpolen“ über Jahre ermittelte, bilden die Basis für weitere Forschungsaufgaben. Durch die regelmäßigen Forschungsarbeiten in den polnischen Archiven in Mittelpolen ist eine umfangreiche Bestandsdokumentation erarbeitet worden.
Auf der Intemetseite www.mittelpolen.de sind die derzeit aktuell erarbeiteten und freigegebenen Forschungsergebnisse veröffentlicht. Wichtige Bestandteile der Forschungsunterlagen sind die Gründungsurkunden, Schulzenladen, alte und neue Orts- und Gebietskarten, Friedhofsdokumente und Kirchenbuchbestände. Pater Pawel Sudowski aus Lodz verwies auf die Besonderheit der kirchlichen Veränderungen im Gebiet Lodz und Piotrköw Tryl. Hier handelt es sich um den Verkauf von evangelischen Kirchen und deren Beständen an die katholische Kirche. Als Beispiel sei hier die jetzt katholische Kirche „Kosciöl p.w. Zeslania Ducha Swiqtego“ (Heilig- Geist-Kirche) in Lodz (1940-45 Litzmannstadt) erwähnt, in der er Pater ist. Diese war eine der Hauptkirchen für Taufen, Eheschließungen und Beisetzungen der Deutschen im Lodzer Gebiet. Auch der Bibliothekar Alfred Emanuel Pawlik im Archiwum Panstwowe (Staatsarchiv) in Piotrköw Tryb verwies auf das dortige Evangelische Pfarramt, in dem bereits die Ortsverzeichnisse und das familiengeschichtliche Schriftgut aus den Kirchenbüchern ins Deutsche übersetzt wurden. Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass die konfessionellen Veränderungen sich auf die Dokumentationen negativ auswirkten. So ist es auch zu erklären, dass bereits einige Suchergebnisse, die den Hinweis auf die Deutschen von der Wolga bestätigten, durch nachträgliche Eintragungen wieder in Frage gestellt wurden!
Jetzt sind diese Fragen zu stellen:
Weitere Informationen sowie Adressen zu Schrifttum, Archiven und Vereinen zu erfragen bei:
Lilly Buchholz-Rimer und Horst Bredemeyer,
Am Bocksbühl 20, 88260 Argenbühl-Eisenharz,
Tel.: 07566/941 088;
E-Mail: lilly.buchholz@t-online.de