Grundlegende Basis zur Genealogie der Russlanddeutschen im staatlichen Archiv Kasachstans

Anhang zum HFDO-Kalender für 2018

Die erste Forderung für biographische Daten ist die Glaubwürdigkeit. Der formale Beweis der Glaubwürdigkeit ist die rechtliche Gültigkeit des Dokuments. Dies sind die Unterlagen, die eine Person seit ihrer Geburt und bis zum Tode aus speziellen staatlichen Institutionen erhält. Die andere Gruppe der biographisch bezeugenden Daten bescheinigt das Vorhandensein der Bildung, die Qualifikation der Persönlichkeit und ihr beruflich Erworbenes. Die Unterlagen, die die Karriereentwicklung einer Fachkraft dokumentieren, befinden sich bei der Dienststelle und werden später in den Archiven abgelegt. Zu diesen gehören Entscheidungen der Partei- und Sowjetregierung bezüglich der Dienstpostenernennung, Personalanordnungen, Personalkonten oder Überweisungslisten des Lohngehalts. Diese Informationen sind auch im Arbeitsbuch hinterlegt. Die Sowjetbürger haben Personalkarten für die Kaderregistrierung ausgefüllt, schrieben Autobiographien, wurden evtl. Mitglieder der Kommunistischen Partei, deren Zugehörigkeit mit dem Parteiausweis in Registerkarten bestätigt wurde – aufbewahrt im Rayonskomitee der KPdSU. Alle von der Person selbst oder nach ihren eigenen Worten ausgefüllten Unterlagen haben keine Rechtskraft und können bei der Biographie-Nachforschung der untersuchten Person nur als indirekter Beweis dienen. Unter den Bedingungen des 20. Jh. können gerade diese Unterlagen der Ausgangspunkt für die genealogische Forschung werden.

Deutsche als ethnische Gruppe waren schon lange vor den berüchtigten Ereignissen 1941 in Kasachstan. Wie alle anderen Bürger des Russischen Reiches waren auch sie handelnde Personen eines historischen Prozesses. Es ist kein Wunder, das unter ihnen auch Mitglieder der KPdSU waren. Der Punkt „Deutsche“ erschien erstmals im Statistikbericht 1938. 141 Deutsche sind als Kommunisten benannt, die einen Anteil von 0,2% der Gesamtzahl der Parteiorganisation Kasachstans ausmachten. 1942 waren es 2001 Deutsche (1,7%), 1945 997 (0,9%) und 1956 882 (0,3%). Seit 1957 wuchs diese Zahl kontinuierlich wieder an und erreichte 1990 30.655 Mitglieder (3,5%). In den Parteiberichten hat man die Führungskräfte auf nationaler Ebene nur zwei ethnischen Gruppen zugeordnet: Kasachen und Russen. Die Deutschen gehörten in die Rubrik „Andere“ und waren auf republikanischer Ebene nicht existent, sie erschienen erst auf der Ebene Regionalkomitee, die maximale Anzahl erhöhte sich auf Kreisebene.

Nach 1938 hat sich die „Verschlankung“ des Staatsapparates ausschließlich auf eine „Kasachisazija“ reduziert, was logischerweise zur vollkommenen Vernichtung der Nationalintelligenz in den Jahren des „Großen Terrors“ (1936-38), zum Tod an den Kriegsfronten, im Hinterland zu Hunger und Infektionen, zur „Auflösung“ der Kasachen, deren Volksmasse gewaltsam und „freiwillig“ zu einer Migrationsbevölkerung gezwungen wurde, führte.

Die Entschlüsselung der „Anderen“ erschien in den Berichten über die Nationalitäten im Regional-, Stadt- und Bezirkskomitee der Partei erst 1971, die Angaben über die Deutschen gar erst 1981. In jenem Jahr waren nur 16 Personen in der Parteiführung, 1990 gerade mal 20. Unter den vordersten Sekretären waren es 1985 278 Personen, bis zu 739 im Jahre 1990. Was bedeutet das? Auf 20 ethnische Deutsche in der Parteielite, deren Existenz als solche offiziell bestätigt wurde, hat man Personallisten mit Autobiographien und Geburtsdaten über Eltern, Ehepartner und Kinder angelegt. Nach dem, zu Sowjetzeiten, gültigen Gesetz sind die Personallisten im Parteiarchiv ständig aufbewahrt worden. Das Gesetz hat sich bis heute nicht geändert. Die „Spitzensekretäre“ waren lange Zeit in den Verzeichnissen der Partei-Kreiskomitees geführt, wo der Arbeitsplatz unbedingt vermerkt wurde. Diese Information eröffnet die Möglichkeit, die Personallisten in den Organisationen, wo sich „Spitzenfunktionäre“ befanden, zu finden. Gewiss nur dann, wenn die Person keine niedrige fachliche Ausbildung besaß. Über Arbeiter hat man keine Personallisten angelegt. Außerdem wurden für 30.655 deutsche Kommunisten Sonder-Registerkarten geführt.

2005 erschien in Almaty das Buch „Heimatgeschichte in den Schicksalen ihrer Bürger: Sammlung von Autobiographien 1922-1960“ aus den Personalakten des Archivs des Präsidenten Kasachstans. In der Sammlung ist z.B. die Biographie von Heinrich Friedrichowitsch Treise, geboren 1904 in einem der Dörfer der zukünftigen ASSR der Wolgadeutschen. Die Biographie von Nansen Emiljewitsch Kalb, gebürtig in Dresden, wurde im Jahre 1937 geschrieben. Nach der Emigration in die UdSSR 1924 lebte er in der ASSR der Deutschen an der Wolga. Nach seiner Ausbildung in Moskau wurde er beauftragt, als Vorsitzender des Regional-Exekutivkomitees „Thälmann“ im Gebiet Karaganda zu arbeiten. Diese Biographien sind typisch für Menschen aus den unteren Schichten jener Zeit.

Die staatlichen Archive Kasachstans sind für alle Forscher geöffnet, aber genealogische Anfragen, die man als thematisch spezifisch betrachtet, werden nicht freigegeben. Eine der Begründungen ist die fehlende Genehmigung in der Archivgesetzgebung der Republik Kasachstan für bezahlte Dienstleistungen. Es werden nur Anfragen sozialer und rechtlicher Art freigegeben, deren Bearbeitung geldlich nicht berechnet wird. In allen 14 Gebieten Kasachstans (kasach. „Oblys“) gibt es mindestens eine Anlaufstelle (insgesamt 20) für genealogische und juristische Anfragen.

E. Gribanova,
Almaty, Zentrales Staatliches Archiv f. wissenschaftl. u. techn. Dokumentation (NTD) des Ministeriums für Kultur und Information der Republik Kasachstan;

E. Cilikova,
Almaty, Archiv des Präsidenten der Republik Kasachstan
www.ntd.kz 
E-Mail cgantd@gmail.com